Unterschätztes Gesundheitsrisiko

Es gibt im Arbeitsschutz Produktbereiche, die regelmäßig im Fokus des Interesses stehen. Der Gehörschutz gehört nicht dazu. Dabei ist Schwerhörigkeit als Berufskrankheit zu einer Konstanten mit hohen Fallzahlen geworden. Das müsste nicht so sein. TH sprach darüber mit Amandus Bresch, Produktspezialist Vertrieb Head Protection der Hultafors Group Germany GmbH, Vlotho.

Bildquelle: Hultafors

Welche allgemeinen Trends sehen Sie derzeit im Gehörschutzmarkt?

Bresch: Lärmschwerhörigkeit ist als Berufskrankheit zu einer Konstanten in unserer Arbeitswelt geworden. Jedes Jahr werden über 6.000 Anträge von den Berufsgenossenschaften anerkannt, mehr als bei jeder anderen Erkrankung bzw. Verletzung. Doch der Anteil an den Gesamtkosten wird steigen, weil „teurere“ Themen wie Fuß- und Handschutz oder Schutz gegen Absturz in den letzten Jahrzehnten erfolgreich voran getrieben wurden.

Dass sich Berufsgenossenschaften, Ärzte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und der Handel in der Vergangenheit auf „umsatzstärkere“ Probleme konzentriert haben, ist unserer Marktwirtschaft geschuldet. Auch die Tatsache, dass eine Gehörschädigung nur selten mit Schmerz oder Blutungen einhergeht, macht das Thema nicht sexy. Die mit Schwerhörigkeit einhergehenden Probleme werden vom Patienten erst erkannt, wenn es schon zu spät ist.

Die wenigen Hersteller, die auf dem Markt sind, versuchen mit aller Kraft ihre Produkte über jeden sich bietenden Kanal abzusetzen. Die Beratung als Teil der Wertschöpfung verliert dabei ihre Bedeutung und wird, wenn überhaupt, nur noch lapidar angeboten. Am Ende entscheidet ohnehin der Warenwert über den Beschaffungsweg.

Durch die Veränderung von der alten PSA-Richtlinie 89/686 zur neuen Verordnung 2016/425 bekommt Gehörschutz nun den Status PSA-Kategorie III . Dies zeigt, dass das Problem Lärmschwerhörigkeit ganz oben schon erkannt wurde. Außerdem wird der Druck auf die Hersteller vergrößert, Qualität zu sichern.

Und was hat sich technologisch getan?

Bresch: Passiver Gehörschutz als individuelle Im-Ohr-Lösung wurde lange Zeit als bequemer, weil leichter und kleiner, bevorzugt verkauft. Hörgeräte wurden ja schließlich auch immer kleiner. Dabei wurde übersehen, dass aktive Im-Ohr-Lösungen mit anderen Problemen wie Energieversorgung und Akzeptanz zu kämpfen haben. Die Kapsel hat da erhebliche Vorteile.

Nun ist aktiver Gehörschutz ein alter Hut. Die EN 352 sieht seit 2003 aktiven Gehörschutz vor. Nur machte sich bisher keiner die Mühe, aktiven Gehörschutz aktiv zu verkaufen. Man konnte mit dem Verkauf den Aufwand für Beratung nicht rechtfertigen.

Wie ist diesbezüglich Ihr Unternehmen positioniert? Was ist das Besondere an Ihrem Sortiment?

Bresch: Wir setzen auf hohe Qualitäts-Standards die auch regelmäßig überprüft werden. Das sieht und fühlt jeder der unsere Kapseln ausprobiert. So haben beispielsweise unsere elektronischen Geräte alle Feuchtigkeits- und Staubschutz.

Welchen Einfluss hatten in den letzten Jahren gesetzliche und normative Anforderungen bei der Produktentwicklung? Sind diesbezüglich in näherer Zukunft Veränderungen zu erwarten?

Bresch: Bei der Änderung der Richtlinie 89/686/EWG zur neuen PSA-Verordnung (EU) 2016/425 wurde Gehörschutz in die höchste Kategorie III aufgewertet. Gesetzgeber hat somit die Wichtigkeit heraufgestuft. Eine wichtige Änderung für die Praxis: der Arbeitgeber muss jetzt auch regelmäßig unterweisen! Änderungen der Normen sind nicht zu erwarten. Warum auch, wenn die bisherigen Normen vom Markt noch längst nicht ausgeschöpft werden.

Wie wichtig ist es für eine Marke wie Hellberg in einer starken Gruppe wie Hultafors integriert zu sein? Was hat sich seit Übernahme im Jahr 2019 verändert? Was wird die Zukunft im Zusammenspiel der Marken noch bringen?

Bresch: Einerseits hat Hultafors mit dem Kopfschutz von Hellberg eine Sortimentsergänzung erfahren. Andererseits erhielt Hellberg mit der Vertriebsstruktur von Hultafors Zugang zu seit 1962 unerschlossenen Märkten.

„Wir glauben, dass die bestehenden Kundenbeziehungen und das Netzwerk der Hultafors Group in vielen Ländern eine hervorragende Grundlage sein werden, um das aktuelle Geschäft von Hellberg auf ein neues Niveau zu bringen“, hieß es von Seiten der früheren Eigentümer bei der Übernahme. Konnte dieses neue Niveau schon erreicht werde?

Bresch: Nein, das angestrebte Niveau ist noch längst nicht erreicht. Das Potenzial allein des deutschen Marktes übersteigt die Umsätze von Hellberg heute.

Wohin soll der Weg Hellberg mittelfristig führen?

Bresch: Hellberg will mittelfristig ein vollständiges Sortiment an Kapselgehörschützern anbieten, dass allen Anforderungen des Arbeitsschutz-Marktes genügt.

Welchen Stellenwert haben der Technische Handel bzw. der Fachhandel in Ihrer Strategie?

Bresch: Der Technische Handel hat den Zugang zur Industrie. Deshalb führt für uns der Weg nur über den Technischen Handel. Wir machen kein Direktgeschäft mit der Marke Hellberg! Das ist mengenunabhängig.

Kontakt: Hultafors Group Germany GmbH, Vlotho, amandus.bresch@hultaforsgroup.de, T +495228957-0, www.hultaforsgroup.de

Das Interview erschien in der Ausgabe TH 3/2020.

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