VTH-Jahrestagung 2021: Gemeinsam partnerschaftlich die Zukunft gestalten
Sie haben „Lust auf Neues“ und wollen dabei, die „Innovationskraft befördern“. Was so im Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung steht, gilt auch für den neuen Engeren VTH-Vorstand. Während die Politiker aber noch am Verhandlungstisch saßen, konstituierte sich das führende Verbandsgremium zu Beginn der diesjährigen VTH-Jahrestagung am 4. und 5. November 2021, die in Düsseldorf stattfand.
Generationswechsel an der Spitze
Bei den diesjährigen Wahlen zum Engeren Vorstand wurden neben dem Vorsitzenden Mario Ernst als Stellvertreter bzw. Stellvertreterinnen neu in das Gremium gewählt:
- Stephanie Maertin, Vorstand der Maertin & Co. AG in Freiburg,
- Jan Krückemeyer, Geschäftsführender Gesellschafter der Krückemeyer GmbH in Wilnsdorf und
- Philipp Mitzscherlich, Geschäftsführender Gesellschafter der Industriebedarf Niemann-Laes GmbH in Lüneburg.
- In seinem Amt bestätigt wurde Dr. Michael Lutz, Geschäftsführer der Roth GmbH & Co. KG in Nürnberg
Die fünf wollen sich künftig die zentralen Verbandsthemen ressortartig aufteilen und zusammen mit Thomas Vierhaus, der als VTH-Hauptgeschäftsführer am 1. November sein 30. Dienstjubiläum beging und ebenfalls zum Engeren Vorstand zählt, die Geschicke des Verbandes in die Zukunft lenken.
Gestraffte Tageskonferenz
Wenngleich Anfang November die Corona-Infektionszahlen noch verhältnismäßig moderat waren, so war schon bei den Planungen der VTH-Jahrestagung klar, dass man die Pandemie nicht ignorieren kann. Deshalb konnte es leider nur eine gestraffte Tageskonferenz ohne das sonst gebotene, abwechslungsreiche Rahmenprogramm geben. Die 86 Teilnehmer und Teilnehmerinnen erlebten ein gehaltvolles Fachprogramm, das neben der Mitgliederversammlung und der Verleihung der Auszeichnung „Lieferant des Jahres“ an die Weicon GmbH & Co. KG aus Münster als Highlights drei Vorträge renommierter Managementberater bot.
Der frischgewählte Vorsitzende Mario Ernst und Thomas Vierhaus leiteten gemeinsam durch das Programm, das unter dem Motto „Potenziale entfalten – Zukunft gestalten“ stand. Als ersten Redner konnten sie mit Prof. Dr. Guido Quelle (Mandat Management Beratung, Dortmund) quasi einen alten Bekannten ankündigen, der bereits im letzten Jahr Hauptredner war, als die Tagung aus bekannten Gründen nur virtuell stattfinden konnte. Und so versprach Professor Quelle, gern bei der kommenden, in Präsenz durchgeführten Jahrestagung wieder dabei zu sein. Sein Vortrag zum Thema „Vorfahrt für nachhaltiges Wachstum – Jetzt die Kräfte wieder freisetzen!“ auf der Bühne im Tagungshotel am Düsseldorfer Flughafen riss die Zuhörer mit.
Nachhaltigkeit nicht nur ökologisch betrachten
Gleich zu Beginn machte Quelle deutlich, dass Wachstum auch immer Nachhaltigkeit bedeute. Es handele sich um einen Dreiklang aus Ökologie, Ökonomie und Sozialem. Man könne es sich wie einen dreibeinigen Schemel vorstellen, bei dem alle Beine gleich wichtig seien. Ist ein Bein zu kurz, fällt man um. Mit Blick auf die ökologischen Herausforderungen kritisierte er Forderungen, wonach die Probleme von morgen mit den Lösungen von heute zu beheben seien. Die Menschheitsgeschichte habe gezeigt, dass Probleme vor allem mit neuen Technologien gelöst werden – und das führe wiederum zu Wachstum.
Die Wirtschaft leidet derzeit stark unter Lieferproblemen. Er erkenne an, dass das teilweise schwerwiegende Probleme seien. Allerdings handele es sich dabei um operative Probleme, nicht um strategische. Trotz der Schwierigkeiten im operativen Geschäft riet der Managementberater seinen Zuhörern dringend, sich um die strategischen Herausforderungen zu kümmern, gerade jetzt. So gelte es im Sinne der Nachhaltigkeit, beispielsweise im Bereich Soziales, das eigene Unternehmen als integralen Bestandteil der Gesellschaft zu stärken. Dort wie in den anderen Bereichen komme Wachstum immer von innen. Nicht äußere Einflussfaktoren seien entscheidend. Sein Credo „Vorfahrt für Wachstum“ sei kein Harakiri, sondern ziele auf intelligentes, gesundes Wachstum mit nachhaltigem Anspruch. Heute sei es en vogue, von „Deep growth“ zu reden. Dem widersprach Quelle. Intelligentes Wachstum komme aus Innovationen, die wiederum Bedürfnisse befriedigen.
Quelle kritisierte, dass es oft heiße, man müsse sich zwischen Klimaschutz oder Wirtschaftswachstum entscheiden. Mit ähnlich gelagerten Fragen sähen sich auch immer wieder Unternehmen konfrontiert, etwa wenn sie festlegen müssen, ob man in diesem oder jenem Bereich investiere. Seiner Ansicht nach müsse es nicht „oder“, sondern „und“ heißen. Häufig könne man beides haben. Es seien gerade die intelligenteren Produkte und Dienstleistungen, die für besseren Klimaschutz sorgen, und dazu benötige es Wachstum. Das sei nicht zwangsweise gleichbedeutend mit Ressourcenverbrauch. Diese Einsicht sei schon lange bekannt, habe sich aber noch nicht überall rumgesprochen. Angst vor der Zukunft sei in diesem Zusammenhang ohnehin ein schlechter Ratgeber.
Um Wachstum zu erzielen, reicht es nicht allein, ziellos Neues zu tun. Zunächst einmal bedürfen Unternehmen einer Vision – ein möglichst konkretes Bild einer erstrebenswerten Zukunft. Dieses Bild zu entwerfen, sei Aufgabe der Eigentümer, ist Professor Quelle überzeugt. Aus der Richtung zur Vision ergebe sich die Strategie, aus der sich wiederum die Fragen ergeben, wie die Strategie erreicht werden kann. Davon leiten sich Prozesse, Projekte, Maßnahmen, Aktivitäten ab – so entsteht Wachstum, auch in stürmischen Zeiten. Problematisch kann es werden, wenn strategische Projekte im operativen Alltag versanden. Wer die Zukunft in den Blick nehmen will, der sollte nach seiner Überzeugung insbesondere den Vertrieb verändern. Die Kunden von heute sind über die Produkte in der Regel gut informiert. Der Vertrieb muss deshalb nicht in erster Linie Verkäufer sein, sondern er muss dem Kunden helfen zu erkennen, was er braucht. Er muss zum Navigator werden im Dschungel von Lösungen, sowohl online als auch offline.
Veränderung braucht Positionierung
Für einen Technischen Händler ist die Positionierung im Markt wichtig, gerade wenn man sich verändern will. Dabei muss man sich Fragen stellen, wie: „Warum soll ein Kunde zu uns kommen und nicht woanders hingehen?“ oder „Wer sind wir und wofür stehen wir?“, „Was können wir und nur wir?“, „Wer sind unsere Kunden und welchen Nutzen können wir ihnen bieten?“ Das fällt natürlich schwer, wenn man produktseitig breit aufgestellt ist, so wie es in der Branche die Regel ist. Gerade im sich verändernden Wettbewerbsumfeld, mit zahlreichen neuen, digital antretenden Anbietern, ist das eine große Herausforderung. Gewerbliche Kunden suchen zumeist nach Lösungen für Problemsituationen, die sich im Tagesgeschäft ergeben. Sie erwarten einen konkreten Nutzen von der Zusammenarbeit mit einem Technischen Händler. Frank Wenzel (Limbeck Group, Wesel) hat sich in seinem Berufsleben mit sehr bekannten Marken und deren Positionierung beschäftigt. Diese Erfahrungen übertrug er mit seinem Vortrag auf die Welt des Technischen Handels.
Anhand verschiedener Beispiele machte Wenzel anschaulich deutlich, dass es im Prinzip immer möglich sei, Produkte so zu positionieren, wie man es selbst möchte. Jeder springt derzeit auf den Nachhaltigkeitszug auf. Durch intelligente Positionierung kann das glaubhaft gelingen. Selbst bei Firmen, die per se erst einmal nicht als ökologische Vorreiter gelten, werden voller Überzeugung Nachhaltigkeitsbotschaften verbreitet. Dies belegte er mit mehreren Einspielern bekannter Marken. Von den großen Firmen mit ihren teilweise riesigen Werbeetats können auch kleinere Unternehmen lernen. Das schwierige ist jedoch die Veränderung an sich, weil Menschen sich in der Regel lieber nicht verändern wollen.
Bei der Positionierung geht es darum, deutlich zu machen, wofür man steht. Ein Produktsortiment mit tausenden von Produkten lässt sich schlecht auf einen Punkt bringen. Aber was ein Unternehmen ausmacht, was sein USP (Unique Selling Proposition, Alleinstellungsmerkmal) ist, das lässt sich allemal formulieren. Keiner muss so sein wie Amazon. Dennoch sollte ein Unternehmen schnell reagieren, guten Service und Personalisierung bieten. Sichtbarkeit ist wichtig, Omnichannel lautet hier das Stichwort. Positionierung funktioniert über Menschen, weshalb Unternehmenskultur wichtig ist. Es muss erkennbar werden, „wer Sie sind, was Sie machen, was Sie tun“, so Frank Wenzel. Der Kunde steht im Mittelpunkt. Dazu muss man ihn gut kennen. Das Dumme ist, den einen Kunden gibt es in der Regel nicht, aber in der Kommunikation muss sich jeder Kunde angesprochen fühlen.
Kleine und mittelständische Händler können zur Positionierung keine großen Werbekampagnen starten. Stattdessen können sie aber auf ihre Mitarbeiter bauen, wenn ihnen Wertschätzung und Vertrauen entgegengebracht werden. Dazu bedarf es, sie weiterzuentwickeln. Das ist eine zentrale Führungsaufgabe. Es braucht eine „company culture“, so Wenzel. Dazu müsse der Teamgedanke gefördert werden, wobei vor allem die Schnittstellen zwischen Abteilungen funktionieren müssten.
Wie wird aus einem Interessenten ein Käufer? Zur Verfügung stehen dazu zahllose Kommunikationsmöglichkeiten. Bei den Maßnahmen muss man sich fokussieren, wenige davon umsetzen, aber das richtig gut.
Letztendlich geht es darum, beim Kunden Interesse zu wecken. Das kann man auch ohne einen großen Werbeetat. „Verwirklichen Sie Ihre Ideen – ohne Kompromisse“ zitierte Wenzel exemplarisch einen gelungenen Claim von der Webseite des VTH-Mitglieds Hillmann & Geitz (Bremen). Der sei wie aus dem Lehrbuch, so Wenzel. Es gelang, die eigene Mission in wenigen Worten unmittelbar verständlich zusammenzufassen.
Gemeinsam Potenziale und Chancen erschließen
„Wir verkaufen unsere Produkte mit Herzblut, aber produzieren tun wir sie nicht“, so leitete Thomas Vierhaus den abschließenden Vortrag von Peter Schreiber (Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld-Auenstein) ein. Deshalb ist der Technische Handel auf eine gute Partnerschaft mit Herstellern und Lieferanten angewiesen. Bereits bei der Gründung des VTH im Jahr 1904 war es eines der Kernanliegen, auf eine für beide Seiten gedeihliche Zusammenarbeit hinzuarbeiten. Heute, so Vierhaus, werde dies intensiv und gut gelebt, insbesondere mit den QUALITÄTSPARTNERN. Trotzdem bleibt es nach wie vor ein wichtiges Thema, wie man es schaffe, gemeinsam Markt-Potenziale und -Chancen zu heben. Für neue Denkanstöße sorgte Peter Schreiber.
Partnerschaft, so Schreiber, sei ein großes Wort. Es ist nicht so leicht erklärt. Um es kurz auf einen Nenner zu bringen, könnte man sagen, Partnerschaft bedeutet gemeinsam Ziele zu verfolgen. Auf den Vertrieb übertragen bedeutet das, nicht ein Salesplan ist maßgeblich, sondern vielmehr ein Umsetzungsplan. Dabei müssen sich die Partner gegenseitig fordern und fördern. Mit Weitsicht kann Marktbearbeitung gut gelingen. Dazu bedarf es eines strukturierten Vorgehens. Früher hat man das mit ABC-Kunden gemacht. Effektiver ist es, den Markt zu segmentieren.
Heute gelte es, nicht in erster Linie Produkte oder Dienstleistungen zu verkaufen, sondern Konzepte zu entwickeln, versicherte Schreiber. Er berichtete von einem Händler für Verbindungstechnik, der, statt den Verkauf von Schrauben in den Fokus zu rücken, das Optimieren von Montageprozessen propagiere sowie innerbetriebliche Logistik und Versorgungssicherheit verspreche. Das Wort Konzept leitet sich aus dem Lateinischen ab und bedeutet die Zusammenfassung von Maßnahmen. Beide, Handel und Lieferanten, müssen gemeinsam Strukturen, Prozesse, Tools weiterentwickeln – komplementär miteinander arbeiten und nicht konfrontativ. Das gilt auch für die Marktbearbeitung. Schreiber warnte davor, dabei nur reaktiv zu reagieren. Wer so handele, der muss nehmen was kommt. Das ist nicht immer ideal und oft auch nicht profitabel. Unternehmer müssen etwas unternehmen, nicht warten. Schreiber riet den Zuhörern, sich regelmäßig zu fragen: „Bearbeiten wir den Markt oder bearbeitet der Markt uns?“
Controlling im Sinne von Kontrolle ist rückwärtsgewandt. Die steuernde Bedeutung von Controlling ist viel wichtiger, weil diese auf die Zukunft ausgerichtet ist. Nach der Analyse des Istzustands, der Ausgangsposition und der Potenziale des Marktes und der eigenen Möglichkeiten, sollten Ziele definiert werden. Dabei sollte aber nicht ein Umsatzplan im Vordergrund stehen, sondern das Wie („Wer macht was, wann?“). Das gilt es frühzeitig zu kommunizieren, selbstverständlich unter den Mitarbeitern, aber auch bei den Vertriebspartnern. Analysieren sollte man nicht in erster Linie mit Ergebniskennziffern (Umsatz, Stückzahlen, etc.), sondern durch die Beobachtung von Prozesskennziffern (Leads, Conversion, etc.). So lassen sich Potenziale erkennen. Dazu gibt es viele hilfreiche Werkzeuge, etwa internet-unterstütztes Verkaufen oder Balanced Scorecards.
Aber alle Pläne nützen nichts, wenn man dafür nicht die Mitarbeiter an seiner Seite hat. Deshalb empfahl Schreiber, möglichst viel der Führungsarbeit darauf zu verwenden, die Menschen mit an Bord zu holen, sowohl im eigenen Haus als auch bei seinen Vertriebspartnern.
Gute Lösungen toppen
Etwas gemeinsam partnerschaftlich erreichen, darum geht es auch den Mitgliedern des VTH. Das ist gerade in Zeiten des Umbruchs, so wie er sich derzeit ankündigt, besonders wichtig. Mario Ernst sieht darin einen seiner wichtigsten Beweggründe, sich für den Verband zu engagieren. „Wir wissen, dass wir Lösungen brauchen, um die vor uns stehenden Herausforderungen gemeinsam zu meistern.“ Im VTH gebe es schon viele gute Lösungen. Diese könne man aber sicher noch toppen und weitere neue, gute Lösungen entwickeln, um die Mitglieder zu aktiveren und zu noch besseren Technischen Händlern zu machen, die eine sichere Zukunft haben.
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