Thomas Vierhaus: „Trotz allen Unglücks müssen wir mit Optimismus in die Zukunft schauen“
Wie schätzen Sie die Stimmung unter den VTH-Mitgliedern derzeit ein? Welche Meldungen, Ängste, Sorgen erreichen Sie?
Vierhaus: Die VTH-Mitglieder gehören nicht zu denjenigen, die ihre Sorgen, Ängste und Nöte publik machen. Das war nach meiner Beobachtung schon immer so. Aus manchen persönlichen Reaktionen kann man allerdings herauslesen, dass viele Unternehmer und Unternehmerinnen verunsichert sind. Gott sei Dank trifft die Misere den Großhandel insgesamt und auch die Technischen Händler momentan noch nicht so stark wie einen großen Teil des Einzelhandels. Niemand weiß allerdings zum jetzigen Zeitpunkt, wie lange bestimmte Lieferketten noch halten werden und welche Auswirkungen das auf die Kundschaft haben wird. In Italien hat die Regierung entschieden, dass alle nicht lebensnotwendigen Betriebe schließen müssen. Was passiert, wenn sich Deutschland ebenfalls zu diesem Schritt genötigt sieht? Ein solcher kompletter Shutdown hätte natürlich sofortige gravierende Folgen für die ganze Wirtschaft.
Was sind momentan die drängendsten Probleme?
Vierhaus: Die größte betriebliche Herausforderung besteht im Augenblick darin, den erforderlichen Spagat zwischen der Aufrechterhaltung des Betriebes einerseits bei gleichzeitiger Nutzung der staatlichen Hilfsprogramme andererseits zu schaffen. Beispielsweise bedeutet die Erleichterung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld nicht, dass es nicht trotzdem zahlreiche Bestimmungen zu beachten gäbe. Eine fehlerhafte Antragstellung kann für den Arbeitgeber folgenschwer sein, denn er muss bei unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben das Kurzarbeitergeld unter Umständen zurückzahlen. Dazu verpflichtet er sich bei Antragstellung gegenüber der Agentur für Arbeit. Darüber hinaus kann er sich wegen positiver Vertragsverletzung gegenüber dem Arbeitnehmer ersatzpflichtig machen.
Von Anfang an waren PSA-Händler am stärksten betroffen. Gibt es noch andere Bereiche, die deutlich mehr als andere Probleme aufgrund der Coronakrise haben? Lassen sich die Auswirkungen in Zahlen fassen?
Vierhaus: Der Großhandel hat das Glück, als systemrelevant eingestuft zu sein. Damit kann er zumindest weiterarbeiten. Die Coronakrise hat, wie wir alle wissen, die Industrie in einer schon bestehenden Schwächephase getroffen. Die Krankheitssymptone wurden dadurch verstärkt. Noch arbeiten viele Betriebe ohne Einschränkungen. Auf der anderen Seite mussten sich die Autobauer der Coronakrise bereits beugen und ihre Werke schließen. Insgesamt kann man festhalten, dass besonders die Technischen Händler, die einen hohen Anteil an Erstausrüstungsgeschäft haben, tendenziell stärker betroffen sind. Wie immer lässt sich unsere Branche schwer greifen und die einzelnen Mitglieder entwickeln sich durchaus unterschiedlich.
Gibt es auch Positives zu berichten, z.B. solidarische Aktionen oder gute Ideen seitens der Unternehmen, von denen andere profitieren könnten?
Vierhaus: Wer positive Nachrichten lesen möchte, sollte sich ein Benutzerkonto bei LinkedIn zulegen. Dort berichten einige Technische Händler, wie sie sich in der Krise bewegen und welche Maßnahmen sie ergreifen, um sich der Negativentwicklung entgegenzustemmen. Einige Mitglieder, die sich im Kunststoffbereich bewegen, bieten ihren Kunden mit Publikumsverkehr zum Beispiel Spuckschutzscheiben aus Plexiglas an.
Und wie ist es Ihnen und Ihrem Team in der Geschäftsstelle bislang ergangen? Sie haben in einem Ihrer Rundschreiben geschrieben, dass die Mitglieder „in der VTH-Geschäftsstelle fünf Mitarbeiter ‚unter Waffen‘ haben“. Welche schlagkräftigen Geschütze gilt es derzeit besonders in Stellung zu bringen? Wie ist bislang, soweit einschätzbar, die Wirkung?
Vierhaus: Ich selbst hatte in der 12. Woche Urlaub und wollte eigentlich mit meiner Frau an die portugiesische Algarve fliegen. Als sich die Ereignisse dann überstürzten, sind wir aber lieber doch nicht in den Flieger gestiegen. Stattdessen habe ich im Selbstversuch ausprobiert, wie Homeoffice funktioniert. Von dort aus habe ich innerhalb einer Woche über zehn „VTH-News“ verfasst, in denen ich unsere Mitglieder über die neuesten Entwicklungen informiert habe. Frau Lorenz und Herr Uri waren parallel unter anderem damit beschäftigt, die abgesagten VTH-Seminare nachzubereiten. Ansonsten verhalten wir uns wie alle anderen Verbände, die ich kenne, indem wir die Nachrichtenlage genau analysieren und für die Technischen Händler auswerten. So können wir die eine oder andere Frage, die sich jetzt stellt, zutreffend beantworten. Die Reaktionen unserer Mitglieder darauf sind äußerst zahlreich und durchweg ausgesprochen positiv. Das freut uns natürlich sehr. Wie es mit uns weitergeht, weiß ich ehrlich gesagt noch nicht. Die VTH-Service GmbH wird durch die Absagen schwer getroffen und muss ums Überleben kämpfen. Da geht es uns wie allen Veranstaltern. Den VTH selbst sehe ich momentan nicht ernsthaft in Gefahr. Aber das Thema Kurzarbeit wird selbstverständlich auch auf uns zukommen.
Gibt es neben den vom VTH zahlreich bereitgestellten Hinweisen zu den verschiedenen Aspekten im Zusammenhang mit der Krise noch einen besonders wichtigen, allgemeinen Rat, den Sie den Technischen Händlern mit auf den Weg geben würden?
Vierhaus: Das Wichtigste ist jetzt Besonnenheit, dann werden wir als Branche auch diese Herausforderung bewältigen. Technische Händler sollten jetzt mit Sorgfalt die Situation analysieren und entsprechend handeln.
Trotz allen Unglücks müssen wir mit Optimismus in die Zukunft schauen und dürfen uns nicht unterkriegen lassen. Die Vergangenheit lehrt uns bisher immer eines: Auf jede Krise folgt eine Erholung.
Und wie sehen Sie selbst die Situation? Eine Momentaufnahme vom März erbrachte unsere Umfrage. Jederzeit Stellung beziehen oder Ihre Sicht schildern können Sie in unserer Xing-Gruppe (https://vinc.li/TH-Tipps053).
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