EMI-Index: Verbesserte Materialverfügbarkeit beflügelt Industrieproduktion
Der HCOB Einkaufsmanagerindex Deutschland (EMI) notierte im April bei 44,5 Punkten und damit – nach 44,7 im Vormonat – auf dem tiefsten Stand seit Mai 2020. Zum wiederholten Mal wurde der Hauptindex vom Teilindex Lieferzeiten nach unten gezogen. Dieser erreichte den dritten Monat in Folge ein neues Rekordhoch. Verkürzte Lieferzeiten werden normalerweise mit sinkender Nachfrage in Verbindung gebracht und daher bei der Berechnung des Industrie-PMI invertiert.
Nach wie vor getrübte Stimmung in den Chefetagen
„Lässt sich an der jüngsten Entwicklung des EMI bereits eine erste, leichte Konjunkturerholung in Deutschland erkennen? Die Antwort darauf ist schwierig“, betont BME-Vorstandsvorsitzende Gundula Ullah. Denn noch immer trübten die stagnierende Wirtschaftsleistung, die anhaltend hohe Inflation sowie die zahlreichen internationalen Krisenherde die Stimmung in den Chefetagen vieler Unternehmen.
„Noch zeigt sich der EMI schwach, aber die Teilindikatoren erzählen die gesamte Geschichte und die ist deutlich positiver: Die Produktion wächst wieder, die Preise gehen zurück, die Lieferzeiten entspannen sich“, kommentiert Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen, auf BME-Anfrage die aktuellen EMI-Daten. Die Auftragseingänge seien noch schwach, aber die Geschäftsaussichten hellten sich deutlich auf. Die Unternehmen deuteten den Rückgang der Lieferzeiten und der Preise offensichtlich nicht als Nachfrageschwäche, sondern als Angebotsausweitung. „Ein gutes Zeichen für die deutsche Konjunktur in den nächsten Monaten“, fügte die Helaba-Bankdirektorin in ihrem Statement für den BME hinzu.
„Das Bankenbeben hat bei der Unternehmensstimmung keine Spuren hinterlassen. Zwar bleiben noch eine Reihe von Risiken bestehen, langsam richten sich jedoch die Blicke Richtung eines neuen Aufschwungs“, sagt Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, dem BME.
Unternehmen zehren von den Auftragsbeständen
„Trotz Entspannung der Lieferketten und gesunkener Energiepreise läuft die Industrie noch nicht rund. Die Nachfrage sowohl aus dem Inland als auch aus dem Ausland schwächelt“, teilt DIHK-Konjunkturexperte Dr. Jupp Zenzen dem BME mit. Die Unternehmen zehrten mehrheitlich von ihren Auftragsbeständen. Besonders die Hersteller von Vorleistungs- und von Konsumgütern täten sich schwer, da ihre Auftragspolster kleiner seien als bei den Investitionsgüterherstellern.
Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gibt Dennis Rheinsberg, Direktor – Energy & Industrials der IKB Deutsche Industriebank AG, dem BME folgende Einschätzung: „Auch, wenn sich die Produktion der deutschen Industrie im ersten Quartal 2023 überraschend deutlich erholt hat, ist für das Gesamtjahr mit einer stagnierenden Konjunktur zu rechnen. Dies spiegelt sich auch in der Preisentwicklung der börsennotierten Rohstoffe wider. Mit Ausnahme einzelner mineralischer oder metallischer Grundstoffe bewegten sich die Preise überwiegend seitwärts oder leicht rückläufig. Auch der Rohölpreis gab nach dem Anstieg im Zuge der angekündigten OPEC-Förderkürzung seit Anfang April wieder deutlich nach.“
Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick
Produktion: Die Produktionsraten im Verarbeitenden Gewerbe stieg im April den dritten Monat in Folge leicht an. Demnach notierte der saisonbereinigte Teilindex zwar nur knapp über der Wachstumsschwelle von 50,0, aber dennoch auf dem höchsten Stand seit Mai 2022. Hersteller, die ein Plus verzeichneten (überwiegend im Investitionsgüterbereich), schrieben dies oftmals der besseren Materialverfügbarkeit und Kapazitätserweiterungen zu.
Auftragseingang: Die aktuellen Daten zeigen, dass die Auftragseingänge auch zu Beginn des zweiten Quartals zurückgegangen sind. Rund 29 % der Befragten verbuchten ein Minus und machten dafür in erster Linie die vielerorts hohen Lagerbestände und die anhaltende Unsicherheit an den Märkten verantwortlich. Demgegenüber standen 18 %, die einen Anstieg verzeichneten. Der nach wie vor kräftige Rückgang schwächte sich jedoch zum fünften Mal in den vergangenen sechs Monaten ab, wie der Teilindex mit dem höchsten Wert seit fast einem Jahr signalisiert.
Auftragseingang Export: Auch die Exportorder der Hersteller schrumpften zum wiederholten Mal. Dies signalisiert der saisonbereinigte Teilindex, der zwar immer noch deutlich im roten Bereich liegt, aber im Berichtsmonat auf den höchsten Stand seit Mai 2022 geklettert ist und damit immer näher an die neutrale Referenzlinie von 50 Punkten heranrückt. Die deutlichsten Einbußen schlugen im Vorleistungsgüterbereich zu Buche, dicht gefolgt vom Konsumgüterbereich.
Geschäftsaussichten: Die Erwartungen der Industrieunternehmen hinsichtlich ihrer Produktionsraten binnen Jahresfrist erreichten im April ein 14-Monatshoch. Dennoch rangiert die Zuversicht nach wie vor unter dem langjährigen Durchschnitt (seit Juli 2012). Auch wenn die sich mutmaßlich abschwächende Inflation berechtigte Hoffnungen auf eine anziehende Nachfrage zulassen, trüben Sorgen über die schleppende Konjunktur, den hartnäckigen Preisdruck und die geopolitischen Spannungen weiterhin den Ausblick ein.
Beschäftigung: Der Personalaufbau im Verarbeitenden Gewerbe hat weiter an Dynamik verloren. Demnach wuchs die Beschäftigung nur moderat und mit der schwächsten Rate in der seit März 2021 andauernden Zuwachsphase. Laut Befragten stellten vor allem die Hersteller von Investitionsgütern neue Mitarbeiter ein, um unerledigte Aufträge schneller abarbeiten zu können und sich auf zukünftiges Wachstum vorzubereiten.
Einkaufspreise: Die durchschnittlichen Einkaufspreise sind im April den dritten Monat in Folge gesunken. Zudem beschleunigte sich der Rückgang gegenüber dem Vormonat und fiel so stark aus wie seit Dezember 2019 nicht mehr. Zahlreiche Umfrageteilnehmer berichteten von fallenden Rohstoffpreisen aufgrund der Nachfrageflaute sowie niedrigeren Energie- und Transportkosten.
Verkaufspreise: Nur leicht verteuert haben sich die Verkaufspreise. So schwächte sich die entsprechende Inflationsrate zum zehnten Mal in den letzten zwölf Monaten ab und ging auf den tiefsten Stand seit Januar 2021 zurück – nachdem sie im April 2022 noch ein Rekordhoch erreicht hatte. Allerdings lag sie immer noch leicht über ihrem Durchschnitt von vor der Pandemie. Im Gegensatz zu den beiden anderen Teilbereichen reduzierten Unternehmen aus dem Vorleistungsgüterbereich ihre Preise deutlich und verwiesen dabei auf die geringeren Kosten sowie den hohen Wettbewerbsdruck.
info@bme.de, T +49 69 30838-0, www.bme.de/emi
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