Selbstbewusst die Zukunft angehen

Ein Blick in die Annalen des Technischen Handels zeigt erstaunliche Parallelen zu heute. Ansonsten hat sich die Branche seit ihren Anfängen aber rasant verändert, konnte viele Herausforderungen vergleichsweise gut meistern, wie der VTH-Vorsitzende Mario Ernst und VTH-Hauptgeschäftsführer Thomas Vierhaus im Gespräch mit TH konstatieren. Der Technische Handel hatte es nie einfach, aber hatte immer seine Berechtigung, heute und in Zukunft, für die er gut gerüstet ist.

Ilustration Sprung in die Zukunft
Concept of technology migration with businessman jumping from book to laptop Bildquelle: alphaspirit / stock.adobe.com

Bevor es an die Beantwortung der Fragen geht, tauchen die Interviewpartner in die Geschichte des Technischen Handels ein und beugen sich gemeinsam über den Zeitschriften-Jahresband 1931. „Es war wie heute“ – schon nach kurzem Blättern der vergilbten Seiten entdecken sie erstaunliche Parallelen in der Geschäftswelt von damals und jetzt. Aber natürlich machen sie auch schnell große Unterschiede aus, etwa bei der Sprache: „Heuchelei, Verlogenheit, Hinterhältigkeit, Untreue und hemmungslose Gewinnsucht…“ liest VTH-Hauptgeschäftsführer Thomas Vierhaus eine Textpassage vor, in der der Autor in Sachen Zusammenarbeit von Handel und Lieferanten kein Blatt vor den Mund nimmt – heute eigentlich undenkbar, wenngleich uns die Anonymität des Internets leider das Gegenteil beweist. Klar ist, die Zeiten haben sich gewandelt. 1931 wurde Deutschland von einer allgemein aufgeheizten Atmosphäre beherrscht, die sich nicht selten nur in klaren Meinungsäußerungen widerspiegelte.

Auch sonst waren die Unterschiede zu heute riesig. Die Menschen lebten damals doch in einer eher überschaubaren Welt. Geschäftsbeziehungen waren eher regional, wenn nicht gar nur um den eigenen Kirchturm angesiedelt, von Gedanken an die Globalisierung etwa keine Spur. Und dennoch, schon damals nahm das Beziehungsverhältnis der Händler zu ihren Lieferanten im Technischen Handel, etwa beim Aushandeln von Preisen, breiten Raum ein, wofür sich beim Blättern in den Analen schnell weitere, beredte Fundstücke finden: „Jeder einsichtsvolle Technische Händler muss sich doch darüber klar sein, dass die Preisunterbietungen heute in fast jedem Einzelfall bei einem Geschäftsabschluss den Ausschlag geben, zum Ruin führen müssen.“ 91 Jahre später fragt der VTH-Vorsitzender Mario Ernst wenn er das hört: „Sind wir bis heute unter dem Strich eigentlich wesentlich schlauer geworden?“

Herr Ernst, was würden sagen, nachdem Sie gerade einige Einblicke in die 1930er Jahre bekommen haben, wo sehen Sie Parallelen zwischen damals und heute, wie hat sich die Welt des Technischen Handels verändert in 90 Jahren?

Mario Ernst: Erkennbar ist, dass einige Grundherausforderungen im Technischen Handel seit dieser Zeit die gleichen geblieben sind – der Fabrikant, der am Händler vorbei direkt den Kunden sucht und der ruinös agierende, böse Kollege, der die Preise unterbietet. Die Herausforderungen sind dieselben, wenn wir uns auf dasselbe beziehen. Ich glaube aber, dass wir es insbesondere unter den VTH-Mitgliedern in den letzten zwanzig Jahren hinbekommen haben, uns immer häufiger nicht auf dasselbe zu beziehen, sondern versuchen, den Kunden Mehrwerte zu bieten und nicht nur Produkte zu verkaufen, um so nicht mehr ganz so vergleichbar zu sein. Davon bin ich fest überzeugt, aber genauso denke ich, dass wir auf dem Weg noch eine große Strecke zu gehen haben. Produkte zu verramschen, wie vielfach noch zu beobachten, funktioniert nicht. Allerdings funktioniert es, die Kunden besser zu machen, mit der Frage: „Welche Probleme hast du, die wir gemeinsam lösen können?“

Thomas Vierhaus: Ich sehe viele Parallelen zwischen damals und heute. Etwa die Sandwichposition der Händler zwischen relativ großen Industrien, sowohl auf der Abnehmer- als auch auf der Zulieferseite. Dazwischen sind wir als relativ kleine Einheiten und müssen schauen, dass wir uns behaupten. Denn es ist nicht selbstverständlich, dass der Handel eingeschaltet wird. Das war damals nicht so und ist es auch heute nicht. Aber ich bin zuversichtlich, dass es auch künftig viele Lieferanten gibt, die einsehen, dass Direktbelieferungen auf Dauer kein Erfolgsmodell sein können. Der Handel hatte damals seine Berechtigung und hatte es dabei nicht einfach, und er hat sie heute noch und hat es weiter nicht einfach.

Eine weitere Parallele sehe ich in dem scheinbar unerschütterlichen Glauben einiger, dass man mit unauskömmlichen Margen die Zukunft gestalten könnte. In der Realität ist allerdings das Gegenteil der Fall.

In den Jahrzehnten, die seit damals bis heute durchs Land gingen, hat sich die Welt wahnsinnig verändert. Es hat Megakrisen gegeben, wie die Weltkriege. In jüngster Zeit haben wir wieder Krisen, die wir uns so nicht vorstellen konnten. Anfang des Jahres 2022 hatten wir gehofft, dass eine prosperierende Post-Corona-Zeit geben könnte. Nun haben wir diese, die Wirtschaft noch viel stärker verunsichernde globale Entwicklung mit dem Krieg in der Ukraine. Herr Ernst, Sie gehören tendenziell zu den Optimisten der Branche, sehen eigentlich immer mehr die Chancen denn die Risiken von gesellschaftlichen Umbrüchen. Wurde nicht auch Ihr Optimismus in den letzten Jahren stark strapaziert, Corona, Bankenkrise sind andere Stichworte in dem Zusammenhang?

Ernst: Strapaziert auf jeden Fall. Dennoch versuche ich immer, meinen Optimismus nach außen zu tragen, auch in der Verantwortung meinen PIELanern gegenüber. Was wäre ich denn für ein Vorbild, wenn ich meinen Kopf in den Sand stecken würde? Wenn ich mir die letzten zwei Jahre bei Lichte betrachte und schaue, was in den kommenden Jahren sein wird, glaube ich, dass wir in den spannendsten Zeiten leben, wahrscheinlich in den letzten 111 Jahren. Einen Krieg habe ich dankenswerterweise bislang nicht selbst miterleben müssen, aber wir erkennen deutlich, was der mit der Psyche der Menschen macht. Was muss das erst auslösen, wenn der Krieg im eigenen Land ist?

Von der Veränderung der Welt her gedacht glaube ich, dass wir in einer ähnlich umwälzenden Situation sind, wenn wir sehen, welche Entwicklungen gerade zusammenkommen: Die inzwischen scheinbar so fest verankerte Globalisierung wird zunehmend in ihrer Art der Wertschöpfung mit ihren Lieferketten infrage gestellt. Neben der materiellen gibt es eine digitale Welt und wir befinden uns seit einigen Jahren im digitalen Zeitalter. Allein daraus ergeben sich unglaubliche neue Chancen. Hinzu kommt der Klimawandel, der aus Sicht der Industriestaaten vor allem ein gesellschaftliches Thema ist.

Ich glaube, wenn wir Ruhe bewahren, mit kühlem Kopf und tapferem Herz, auf Sicht die Entscheidungen Richtung Zukunft stellen, dann sind wir als mittelständische Unternehmer richtig gut aufgestellt.

Müssen sich beim Aufkommen von Krisen kleinere Technische Händler eher Sorgen machen als große?

Vierhaus: Das denke ich nicht. Kleine und mittelgroße Händler bis etwa 40 Mitarbeitern können in der Regel flexibel und agil reagieren, während eine große Organisation dazu relativ lange braucht.

Bedeutet aber auch, dass der Unternehmer, die dazu notwenige Beweglichkeit braucht.

Vierhaus: Ja, natürlich. Einen Automatismus, „nur weil ich klein bin, bin ich agil“, gibt es nicht. Und umgekehrt, auch ein Großer kann, wenn er gut organisiert ist, sich flexibel bewegen. Aber der Realität entspricht das oft nicht. Insbesondere in großen Unternehmen oder Firmengruppen, etwa mit vielen eigenständigen Niederlassungen, liegt es in der Natur der Sache, dass eine Kehrtwende schwer zu organisieren ist.

Ernst: Ich glaube die Großen der Branche sind für die langhubigen Umwälzungen besser aufgestellt. Die können beispielsweise einen Experten für die Digitalisierung beschäftigen oder eine Stabsstelle für Nachhaltigkeit bilden. Bei den grundlegenden Veränderungen ist von Vorteil, wenn man eine gewisse Größe hat, damit man sich das auch erlauben kann. Aber wenn man beispielsweise die Coronazeit mit der Notwendigkeit des schnellen, mutigen Handelns anschaut, dann waren es vor allem die kleinen, quirligen Unternehmer, die es geschafft haben, an Ware zu kommen.

Vierhaus: Die großen Unternehmen haben in den vergangenen Jahren viel investiert. Die betriebswirtschaftliche Logik sagt, dass eine Investition, in ein Lager z.B., auch ausgelastet werden muss. Krisen wie die jüngsten bringen die Investitions-Rechnungen komplett durcheinander, weil auch ein Großer nicht davor gefeit ist, dass seine Kunden in Kurzarbeit gehen. Demgegenüber steht durch die Investition ein wahnsinniger Kostenblock, weshalb die Krisen derzeit für diese Unternehmen zur großen Bedrohung werden können. Größe kann manchmal auch Angriffsfläche bedeuten, im Kostenapparat.

Ernst: Der kleine Technische Händler, ist oft stark in seiner Nische. Wenn diese nicht zu sehr auf den Eigentümer abgestellt ist und das Unternehmen sich beweglich organisiert hat, dann ist das die Größenklasse, um die wir uns am wenigsten Sorgen machen müssen.

Gleich ob groß oder klein, kann man sagen, die Branche Technischer Handel hat in Krisen einen Vorteil gegenüber anderen?

Ernst: Natürlich sind wir flexibler, weil wir keine Produktionsanlagen haben. Auf der anderen Seite haben wir einen Markenkern, wir stehen für etwas, das wir nicht einfach über Bord werfen können und wollen.

Vierhaus: Man kommt aus seiner Haut nicht raus. Für alles andere, was ich auch verkaufen könnte, gibt es ja auch Wettbewerb. Jeder hat seine Rolle, die er eingenommen hat, und die kann er nicht so einfach wechseln. Partiell aber immerhin kann er sagen, dass er damit einen Teil seiner Aktivitäten stärkt.

Sie können beide eine relativ lange Zeit im Technischen Handel überblicken. Welche Veränderungen waren in Ihren Augen für die Branche in der Zeit wesentlich?

Vierhaus: Eine der wichtigsten Veränderungen war die Konsolidierung der Branche. Als ich 1991 angefangen habe gab es ca. 460 Mitgliedsunternehmen. Seither hat sich die Zahl der Technischen Händler im Verband, aber auch insgesamt, dramatisch verringert. Wir haben eine ganz klare Unternehmens-Konzentration, eine Entwicklung, die den Handel verändert hat.

Sehen Sie dabei einen Unterschied zu anderen Branchen bzw. Großhandelsbranchen?

Vierhaus: Nein, zumindest nicht in den Branchen, die auch sehr stark davon geprägt sind, Industrie auf der Beschaffungs- und der Absatzseite zu haben. Teilweise ist der Konsolidierungstrend in anderen Produktionsverbindungshandelsbranchen sogar noch viel dramatischer.

Die zweite wesentliche Veränderung, die eng damit zusammenhängt, ist das Eintreten von ausländischen Technischen Händler in den deutschen Markt. Das hatten wir so früher gar nicht. Und plötzlich waren sie dann doch da.

Zeitweise gab es die Befürchtung, dass das eine dramatische Entwicklung werden würde und alles weggekauft werden würde, was nicht bei Drei auf dem Baum ist.

Die teilweise offensiv angekündigten Pläne konnten aber lange nicht umgesetzt werden.

Vierhaus: Richtig. Die Investoren haben den deutschen Markt massiv unterschätzt. Der deutsche Markt ist stark fragmentiert und wir haben, anders als in anderen Ländern, einen extrem breiten und tiefen Mittelstand. Das liegt an der Historie der industriellen Entwicklung, die hierzulande weniger zentralistisch war. Unterschätzt wurde auch die Reaktion derer, die sich angegriffen gefühlt haben, die sich massiv zur Wehr gesetzt haben. Die sehr schnell begriffen haben, welche Gefahr es für sie ist, wenn sie sich nicht darauf besinnen, was sie beim Kunden stark macht. Und deshalb sind viele Kunden zu den kleineren Technischen Händlern zurückgekehrt, weil sie dort wieder das bekommen haben, was sie bei den Großen vermisst haben, vor allem das Prinzip des Kümmerers. Hinzu kamen auf Investorenseite finanzielle und strategische Fehlentscheidungen.

Sie mussten Lehrgeld bezahlen. Hat sich das denn inzwischen zumindest ein Stück weit amortisiert?

Ernst: Nein. Die, die schon vorher keinen guten Plan hatten, müssen erleben, dass der jetzt noch viel mehr in die Hose geht. Wenn man schon in guten Zeiten keine guten Ideen hat, dann werden die in der Krise nicht besser.

Vor elf Jahren, als TH seinen 100jährigen Geburtstag feiern konnte, sprach ich mit fünf führenden Köpfen der Branche, ähnlich wie wir heute über die Perspektiven des Technischen Handels. Alle haben mittlerweile ihre Unternehmen verkauft.

Vierhaus: Das ist im Wesentlichen auf die besonderen Familien-Konstellationen bei den Verkäufern zurückzuführen.

Die Käufer haben also in den Fällen Glück gehabt, dass sie diese Konstellation so vorgefunden haben. Man kann nicht sagen, der Technische Handel ist für jüngere Generationen nicht attraktiv genug?

Vierhaus: Richtig. Es gibt eher ein generelles Problem der Generationenfolge, von dem sich der Technische Handel nicht abkoppeln kann.

Ernst: Und wer kann es den Inhabern verdenken, dass sie ihre Unternehmen bestmöglich verkaufen, wenn das aus Ihrer Sicht die beste Lösung ist. Dass hierzulande ein Investor wirklich richtig groß auf Einkaufstour gegangen wäre, kann ich nicht sagen. Und diejenigen, die Händler aufkaufen, sind immer dieselben. Wer auf Umsatz steht, der ist bereit Umsatz zu bezahlen. Wenn ich mir Zahlen anschaue, dann will ich erst mal wissen, wieviel Geld wird dort verdient und womit. Wer Umsatz kauft, der hat Skaleneffekte durch Größe im Blick.

Vierhaus: In dieser Welt ist ja nichts mehr eindimensional. Auf der einen Seite gibt es eiskalt agierende Investmentfonds. Auf der anderen Seite gibt es unter den Großinvestoren auch Familienunternehmen. Auffällig ist, dass es unter den Aufkäufern kein deutsches Unternehmen gibt.

Ernst: Das ist in der Tat bemerkenswert. Aber eben doch so typisch für deutsche Mittelständler, die lieber organisch wachsen. Man sieht ja auch die Schwierigkeiten, die es in zusammengekauften Gruppen gibt, in denen das Thema Integration die größte Herausforderung ist. Was nützt eine A-Strategie mit einer C-Umsetzung? Man muss es leider so sagen: Ich freue mich über jeden Wettbewerber, der auf diese Weise vom Brett genommen wird.

Vierhaus: Dennoch muss man festhalten, dass die Konsolidierung bleibt. Die Big Player wollen noch weiter wachsen und werden es auch tun. Hinzu kommt auch die Konsolidierung von unten, bei den vielen ganz kleinen Händlern, die die wachsenden Herausforderungen nicht stemmen können. Die Zahl der kleinsten Technischen Händler nimmt seit Jahren dramatisch ab. Und es dürften noch zahlreiche weitere Spieler vom Feld genommen werden oder sie nehmen sich selbst durch Aufgabe vom Feld. Das hängt auch mit den teilweise nicht mehr funktionierenden Nischen zusammen, in denen sie bislang aktiv waren, etwa wenn eine Abnehmerbranche komplett vom deutschen Markt verschwindet.

Es ist völlig klar, dass man nicht mehr sagen kann, Deutschland ist für kleine Händler ein Markt der Glückseligen, obwohl man aber auch festhalten muss, dass in anderen Ländern die Entwicklung viel extremer war.

Vierhaus: Absolut richtig. Das bringt uns dazu, einen Blick darauf zu werfen, was die Branche nicht so stark verändert hat, obwohl große Umbrüche vorhergesagt wurden: Ich meine den Angriff des E-Commerce. Der hat den Technischen Handel zwar getroffen, die Branche aber interessanterweise nicht so sehr verändert, wie befürchtet. Es schützt uns nach wie vor ein Stück weit die Komplexität unseres Geschäfts. Der Technische Handel funktioniert nicht ohne Beratung. Wir müssen aktiv zu den Kunden gehen und ihnen sagen, was sie brauchen.

Ernst: Wir leben von der Komplexität, davon, dass Regelwerke, etwa auf europäischer Ebene immer wieder neu gefasst werden. Die Bürokratie wurde ja an vielen Stellen nicht abgeschafft, sondern nur in die Unternehmen verlagert. Und wir sind die Möglichmacher, die dann helfen. Es ist auch dadurch gut gelungen, uns in die Partnerrolle zu entwickeln. Das festigt unsere partnerschaftliche Position beim Kunden sehr, hier müssen wir immer weiter daran arbeiten. Arroganz ist immer fehl am Platz, eine gewisse Demut immer hilfreich. Aber wir brauchen uns auch nicht klein reden zu lassen, sondern können mit breiter Brust zu unserer Rolle stehen.

Vierhaus: Auch weil es uns gelungen ist, die Einkäufer als enge Verbündete zu gewinnen. Dort wird es geschätzt, dass der Technische Handel über den Stand der Technik informiert ist und auch frühzeitig darauf aufmerksam macht, welche Lösungen künftig vorgeschrieben sein werden. Händler, die nur Papier und Bleistifte liefern, können das nicht, weshalb uns die E-Commerce-Welle nicht so überrannt hat wie andere Branchen.

Und im Übrigen, E-Commerce können Sie auch.

Ernst: Das können wir nicht nur auch, damit garnieren wir das Ganze. Wenn wir uns dagegen verwehren würden, wäre es fatal.

Vierhaus: Zeitweise wurde gesagt, dass man künftig nur mit hoch anspruchsvollen E-Commerce-Lösungen bestehen könne. Die Technischen Händler haben das Thema beherzt angepackt, aber es stellte sich heraus, dass die Kunden lange gar nicht wussten, was sie wollten. Und so mussten sich diese selbst erst einmal auf die veränderte Welt einrichten, was dem Technischen Handel die notwenige Zeit zur Umstellung gegeben hat.

Ernst: Warum war es in anderen PVH-Branchen denn möglich, dass sie so schnell konsolidieren konnten? Auch weil dort schon lange strukturierte Datensätze vorhanden waren und auch beim Kunden Verwendung finden. So war die Wechselwilligkeit viel eher gegeben als im Technischen Handel.

Mit Themen wie künstliche Intelligenz, Virtual Reality oder Blockchain-Technologie zeichnen sich neue, spannende Digitalisierungsthemen ab. Ihr Unternehmen Herr Ernst, hat sich schon vor einiger Zeit damit beschäftigt. Warum ist es Ihres Erachtens wichtig, sich frühzeitig mit Trends wie diesen zu beschäftigen?

Ernst: Wichtig ist für uns, dass wir an dem was wir machen Spaß und Freude haben. Wenn wir PIELaner haben, die fragen: „Dürfen wir uns Zeit für Innovationen nehmen?“, sagen wir nicht: „Halt den Mund, geh arbeiten.“ sondern „Erzähl mal mehr.“ Na klar, man muss sich das leisten können. Aber wir sind immer wieder auf der Suche nach dem Geschäftsmodell von morgen. Und wenn ich nicht ausprobiere, wie soll ich es dann finden? Wir haben unseren E-Procurement-Marktplatz am 1. April 2000 gegründet und der ist heute nach wie vor eine unserer Lebensversicherungen.

Ich bin mir sicher, solange wir Bock auf die Zukunft haben, neue Themen suchen und sie auch finden, brauche ich mir um unser Unternehmen keine Sorgen um die Zukunft zu machen. Da sind wir beim wertebasierten Mittelstand, der auch Zukunft gestalten will.

Vierhaus: Solange es noch Mechanik und Elektronik gibt, dürfen wir auch nicht vergessen, uns mit den naheliegenden Technologien auseinanderzusetzen, wie etwa dem 3D-Druck, der sich für den Technischen Handel vergleichsweise leicht erschließen lässt.

Ernst: Ich gebe dir recht Thomas – wir sollten, ehe wir uns mit all den fernen Trends beschäftigen, da sein, wo es knallt, raucht und stinkt. Da sind unsere Märkte, auch in Zukunft. Kommende Dinge, wie das Metaversum etwa, werden uns in erster Linie helfen, Dinge zu erklären, können uns Mittel an die Hand geben, um uns noch besser mit den Kunden zu verbünden.

Das IFH hat vor kurzem ermittelt, dass im Großhandel immer noch klassisch-analoge Vertriebskanäle dominieren. Ist der Großhandel diesbezüglich einfach nur später dran oder wurde der Online-Vertrieb in den vergangenen Jahren überbewertet?

Vierhaus: Man muss sich fragen, ob das wirklich wenig ist. Im Übrigen denke ich, dass wir mittlerweile bei einem elektronischen Absatz von 30 bis 35 % liegen. Zum Kunden fährt kaum noch ein Außendienst hin, um „hard core“ zu verkaufen. Zumindest der Technische Handel ist diesbezüglich auf einem guten Niveau. Und die Aussage, „Was heute B2C, ist morgen B2B“, stimmt in vielen Bereichen eben auch nicht.

Ernst: Unser Job ist es nicht, in erster Linie die Digitalisierung voranzutreiben, sondern beim Kunden Vereinfachungen zu erreichen. Und dabei geht es vielfach in erster Linie um Prozesse. Der Katalogeinkauf etwa, spielt im Betriebsalltag bei weitem nicht die Rolle, die ihm vielfach zugesprochen wird.

Neben der Art wie etwas verkauft gibt es zuletzt auch interessante Trends dazu, was man verkauft, etwa Dienstleistungsangebote, die drauf abzielen, Waren nur zu verleihen. Der Technische Handel stand früher beispielsweise dem Mietwäscheservice skeptisch gegenüber, heute mischen einige selbst bei sogenannten „as a Service“-Geschäftsmodellen mit. Sehen Sie darin größeres Potenzial für die Zukunft?

Ernst: Ja, das passt zu unseren künftigen Herausforderungen hinsichtlich Nachhaltigkeit. Bei Instandhaltungsprozessen etwa, die nur wenige Wochen im Jahr dauern, ist es ideal, wenn man benötigte Atemschutztechnik für diese Zeit mietet. Das Wirtschaftsgut wird optimal genutzt, wenn es zu anderen Zeiten bei anderen zum Einsatz kommt. Man muss sich immer fragen: „Wie verändert sich die Welt und was muss ich tun, damit ich Lösungen für die Welt von morgen liefern kann?“ Egal was die Welt uns an Aufgaben gibt, wir sind gewillt, sie anzugehen. Und allein diese Einstellung ist ein großer Vorteil.

Vierhaus: Ich denke, dass der Technischen Handel geradezu dazu prädestiniert ist, Dienstleistungen noch und nöcher zu entwickeln und anzubieten. Lebensdauerverlängerung von Produkten, das nutzt der ganzen Gesellschaft. Da eröffnen sich dem Technischen Handel zahllose Chancen.

Kontakt

Thomas Vierhaus, Hauptgeschäftsführer des VTH, Düsseldorf, info@vth-verband.de, T +49 211 445322, www.vth-verband.de

Mario Ernst, Geschäftsführer der Piel GmbH, Soest, info@piel.de, T +49 2921 687-0, www.piel.de

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