EMI-Index: Abschwung der Industrie hat sich verschärft
Der HCOB Einkaufsmanagerindex Deutschland (EMI) rutschte im Juli noch tiefer unter die Schwelle von 50 Punkten, die Wachstum von Schrumpfung trennt. Mit 38,8 Punkten nach 40,6 im Vormonat wurde zudem der tiefste Wert seit Mai 2020 erreicht. Ausschlaggebend für den Abschwung sind vor allem die weiter rückläufigen Neuaufträge. Vielerorts würden Kunden eher abwarten und zuerst ihre Lagerbestände reduzieren, so einige EMI-Umfrageteilnehmer. Auch die wirtschaftlichen und geopolitischen Spannungen und die daraus resultierenden Unsicherheiten sowie die ungünstigeren Kreditkonditionen bremsten die Auftragseingänge.
„Die deutsche Wirtschaft steckt in der Klemme. Das bestätigt nach den enttäuschenden vorläufigen BIP-Zahlen für das zweite Quartal 2023 auch der aktuelle EMI. Unverändert hohe Energiepreise, der anhaltende Mangel an Fachkräften und sich verschärfende geopolitische Spannungen sind nur einige der Hindernisse, die unsere Industrie ausbremsen“, betont BME-Hauptgeschäftsführerin Dr. Helena Melnikov. „Die Auftragsbücher der Industriebetriebe leeren sich rapide. Angesichts der aktuellen Situation scheint eine kurzfristige Wiederbelebung der Wirtschaft mehr Illusion als Realität zu sein.“
Sommerstagnation folgt der Winterrezession
„Deutschland wird immer mehr zu einer Belastung für die Eurozone, wie die aktuelle Einkaufsmanager-Umfrage zeigt. In kaum einem anderen Land ist die Konjunktur derzeit so stark unter Druck wie hierzulande“, sagt Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, dem BME. „Auf die Winterrezession folgt die Sommerstagnation. Vor allem hohe Zinsen und Investitionsschwäche drücken die Nachfrage im Inland“, teilt DIHK-Konjunkturexperte Dr. Jupp Zenzen dem BME mit. Wegen der schleppenden Weltkonjunktur seien auch keine nennenswerten Wachstumsimpulse aus dem Ausland zu erwarten. Das Auftragspolster der Industrie schmelze weiter ab. Zenzen weiter: „Besserung ist in diesem Jahr nicht wirklich zu erwarten.“
Zur jüngsten Entwicklung des EMI-Teilindex Einkaufspreise gibt Dennis Rheinsberg, Direktor – Energy & Industrials der IKB Deutsche Industriebank AG, dem BME folgende Einschätzung: „Die Einkaufspreise haben vor dem Hintergrund der konjunkturellen Entwicklung ihren Abwärtstrend der vergangenen Monate im Juli erwartungsgemäß fortgesetzt. Gegenläufig entwickelten sich nur wenige börsennotierte Rohstoffe wie Kupfer und insbesondere Rohöl. Die insgesamt niedrigen Lager- und Börsenbestände stützen allerdings zunehmend die Börsennotierungen vieler Rohstoffe. Der kräftige Ölpreisanstieg spiegelt zudem die Angebotsverknappung durch die Förderkürzung der OPEC bei gleichzeitig weiter steigender globaler Nachfrage.“
Entwicklung der EMI-Teilindizes im Überblick
Produktion: Das Produktionsniveau im Verarbeitenden Gewerbe ist im Juli den dritten Monat in Folge zurückgegangen. Mehr noch, die Rate beschleunigte sich auf den höchsten Wert seit Mai 2020. Alle drei Hauptbereiche der Industrie (Konsumgüter, Vorleistungsgüter und Investitionsgüter) verbuchten ein Minus, was nahezu in allen Fällen dem rückläufigen Auftragseingang zugeschrieben wurde.
Auftragseingang: Deutschlands Hersteller verzeichneten erneut einen noch stärkeren Rückgang der Neuaufträge. Der saisonbereinigte Teilindex verschlechterte sich den dritten Monat hintereinander und sackte auf den niedrigsten Stand seit über drei Jahren ab. Lässt man die pandemiebedingten Lockdowns Anfang 2020 außen vor, war es die kräftigste Schrumpfungsrate seit März 2009. Unsicherheit und Lagerabbau bei den Kunden, steigende Zinsen sowie die allgemein schleppende Konjunktur waren nur einige der Faktoren, die den Auftragseingang ausbremsten, wie zahlreiche Befragte angaben.
Auftragseingang Export: Beim Auslandsgeschäft setzte sich der negative Trend zu Beginn des dritten Quartals nicht nur fort, er verschärfte sich sogar noch. Demnach fiel die Schrumpfungsrate so niedrig aus wie seit Mai 2020 nicht mehr, da die Nachfrage auf wichtigen Absatzmärkten in Asien, Europa und Nordamerika weiter zurückging, was vor allem Firmen im Investitionsgüterbereich zu spüren bekamen.
Jahresausblick: Die Einschätzungen hinsichtlich der Geschäftstätigkeit binnen Jahresfrist haben sich den dritten Monat in Folge verschlechtert. So rutschte der Teilindex Jahresausblick weiter unter die Referenzlinie von 50 auf den nun tiefsten Stand seit November 2022, was den zunehmenden Pessimismus unter den Herstellern widerspiegelt. Demnach beklagten viele vor allem den anhaltenden Rückgang der Neuaufträge. Zudem erwarten nicht wenige, dass das hohe Zinsniveau sowie die wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten zukünftige Investitionen bremsen werden.
Beschäftigung: Zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren ist die Beschäftigung in der Industrie leicht geschrumpft, wobei sich der Job-Abbau vorerst auf den Vorleistungsgüterbereich beschränkte. EMI-Umfrageteilnehmer, die ein Minus meldeten, begründeten dies oftmals mit der schwachen Nachfrage, Kürzungen in der Produktion oder der Entlassung von Leiharbeitern.
Einkaufspreise: Die durchschnittlichen Einkaufspreise verbilligten sich im Juli so kräftig wie selten zuvor. Abgesehen von den starken Rückgängen während der globalen Finanzkrise (Januar bis April 2009) übertraf die aktuelle Rate alles in der bis April 1996 zurückreichenden EMI-Datenreihe. Vor allem der rückläufige Trend bei vielen Rohstoffen aufgrund sinkender Nachfrage sowie die günstigeren Energiekosten waren laut EMI-Umfrageteilnehmern für das erneute Minus verantwortlich.
Verkaufspreise: Nach zuvor mehr als zweieinhalb Jahren kontinuierlichen Anstiegs gingen die Verkaufspreise im Juli zum zweiten Mal in Folge zurück. Es war die deutlichste Reduzierung seit September 2009, was von vielen Einkaufsmanagern mit dem zunehmend harten Wettbewerb um Neuaufträge und der Weitergabe der geringeren Kosten begründet wurde. Neben dem Vorleistungsgüterbereich sanken die Erzeugerpreise diesmal auch im Konsum- und Investitionsgüterbereich.
info@bme.de, T +49 69 30838-0, www.bme.de/emi
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