Lasst Werte sprechen

In diesen Tagen wird uns schmerzlich vor Augen geführt, dass nichts selbstverständlich ist – noch nicht einmal das Normale. Alles hat einen Preis – Gesundheit und Freiheit genauso wie ein Stück Seife oder eine Schutzmaske. Nichts ist dabei festgeschrieben. Wenn etwas wertvoll ist, dann sollte es auch entsprechend wertgeschätzt werden. Das gilt in schwierigen Zeiten genauso wie in „normalen“.

Geldstücke und -scheine
Geschäftskunden sind bereit Premiumpreise zu bezahlen, wenn sie dafür nachvollziehbar und wahrnehmbar mehr an Wert erhalten Bildquelle: jchizhe / stock.adobe.com

Der Technische Handel als Gesamtheit aber auch als einzelnes Unternehmen erbringt Leistungen für seine Kunden und für viele Kunden sind diese „selbstverständlich“. Doch das sind sie keineswegs! Leider schaffen wir es oft nicht, an unseren Leistungen „Preisschilder“ anzubringen und da wir nichts dafür berechnen, halten auch die Mitarbeiter des Technischen Handels diese für selbstverständlich. Oft sind sie in deren Augen so selbstverständlich, dass sie keinen Wert mehr haben. Wenn es dumm läuft, vermitteln wir diese Einschätzung sogar unserem Kunden, nämlich dass diese Leistungen nichts kosten und nichts wert sind. „Was nichts kostet, ist nichts wert“ sagt der Volksmund nicht ganz ohne Berechtigung. Dagegen gilt es anzuarbeiten, d.h. im ersten Schritt gilt es Bewusstsein bei den eigenen Mitarbeitern für die eigene Leistung des Unternehmens zu schaffen. Im zweiten Schritt müssen aus meiner Sicht Verkäufer des Technischen Handels im Innen- und im Außendienst geschult werden. Und im dritten Schritt müssen wir den Nutzen unserer Leistungen für den Kunden zu diesem hin auch kommunizieren.

Feilschen wie auf einem Basar?

Preisfindung ist ein komplexes Thema – denken Sie nur an Ihr alltägliches Erleben als Technischer Händler: mehrmals täglich hören Sie, Ihr Wettbewerb sei „viiiieeel“ billiger. Denken Sie aber auch an Erlebnisse bei einem Besuch eines orientalischen Basars: der Händler ist tödlich beleidigt, wenn Sie ohne große Umstände den geforderten Preis bezahlen wollen. Bekanntestes Beispiel dafür ist übrigens eine Szene in Monty Python´s „Das Leben des Brian“, in der der Protagonist einen falschen Bart erwerben will, um seine Flucht zu tarnen und schlicht den genannten Preis bezahlen will…der Mann ist auf der Flucht, kein Wunder also! Trotzdem nötigt ihn der Händler zur landesüblichen Feilscherei. Ist das nur komisch oder auch hilfreich für unser tägliches Handeln?… Handeln im wahrsten Sinne des Wortes?

Machen wir uns bewusst, in jedem Preisgespräch – ob am Telefon oder von Angesicht zu Angesicht – treffen zwei Menschen aufeinander, die eine u.U. höchst unterschiedliche Vorstellung vom Wert eines bestimmten Gutes haben und die auch sehr unterschiedliche Ziele haben, nämlich die jeweilige Gewinnmaximierung. Dass die hinzukommenden kulturellen Werte und individuellen Gepflogenheiten der Beteiligten das Verhandeln nicht eben einfacher machen, versteht sich von selbst.

Gehen wir gedanklich gut 2.000 Jahre zurück und lassen uns von den Römern inspirieren. Sie nutzten das Wort „pretium“ um das auszudrücken, wofür wir zwei Worte benutzen, nämlich die Worte „Preis“ und „Wert“. Preis und Wert sind letztlich nichts anderes als zwei unterschiedliche Seiten derselben Medaille. Ein „deal“ oder eine Transaktion kommt eben nur zustande, wenn sich Verkäufer und Käufer auf einen Preis einigen. Dann entspricht der vom Käufer bezahlte Preis dem Wert des Gekauften in seinen und in den Augen des Verkäufers.

Sagt der potenzielle Kunde, etwas sei teuer, heißt das nicht, dass es ihm zu teuer sei, er sagt nur, dass er eine andere Preiserwartung hatte. Der Verkaufende tut also gut daran, die Erwartung seines Gesprächspartners frühzeitig auszuloten und möglichst in die richtige Richtung zu bringen. Häufig können Sie auf Seite 2 einer Restaurant-Speisekarte lesen „Wir bereiten alles frisch zu und verwenden lokale und hochwertige Rohstoffe…“ – eine gute Möglichkeit, die Preiserwartung des Gastes in die richtige Richtung zu verschieben.

Den Wert des Angebotenen vermitteln

Sagt der potenzielle Kunde, etwas sei ihm zu teuer, sagt er eigentlich „das ist es mir nicht wert“ oder „ich habe (noch) nicht verstanden, warum ich den geforderten Preis bezahlen soll“…..und hier liegt der Ansatzpunkt für den Verkaufenden: er muss dem potenziellen Käufer den Wert des Angebotenen vermitteln und das möglichst bevor er den Preis nennt. Denn wenn ich oben schreibe „den Wert des Gekauften“ müsste ich eigentlich schreiben „den vom potenziellen Kunden wahrgenommenen Wert“. Die Bereitschaft des potenziellen Kunden, einen geforderten Preis zu bezahlen, hängt immer davon ab, welcher Wert oder welcher Nutzen eines Produktes oder eine Dienstleistung vom Kunden wahrgenommen und zumindest potenziell auch genutzt wird.

Die Römer hatten das wohl schon als fundamentalen Zusammenhang verstanden, denn sonst hätten sie nicht mit dem die Bedeutungen Wert und Preis umfassenden Begriff „pretium“ gearbeitet. Dieses Verstehen der Abhängigkeit, der Beziehung von Wert und Preis und des Prinzips von Angebot und Nachfrage ist eine durchaus belastbare Grundlage für das Verständnis und das Lösen von Preisproblemen. Haben wir das eventuell verlernt? Eventuell, weil wir selbst im Privaten zum Smart-Shopper, zum Schnäppchenjäger geworden sind? …und manchmal sogar unbewusst den Kunden zum Feilschen ermuntern?

Fast schein es so, denn alltäglich ist das Jammern, dass „es nur noch um den Preis gehe“ oder dass „immer der Billigste zum Zuge komme“ und dass man „als Service- oder Qualitäts-orientierter Anbieter nicht mehr zum Zuge komme“.

Es mag Sie wundern, aber so ganz neu ist diese Wahrnehmung nicht, denn schon im ausgehenden 19. Jahrhundert schrieb Oscar Wilde „Heutzutage kennen die Leute von Allem den Preis und von Nichts den Wert“…was würde er heute sagen, heute in einer Zeit der „Geiz-ist-geil-Mentalität“?

Niemals billig sein

Wenden wir uns noch dem Begriff „billig“ zu, einem Begriff, der zum einen inflationär Verwendung findet und der zum anderen eine merkwürdige Wandlung in seiner Bedeutung erfahren hat. Billig wurde ursprünglich nicht im negativen Kontext gesehen – heute dagegen schon. Der aktuelle online-Duden schreibt unter „billig:  Adjektiv – 1. niedrig im Preis; nicht teuer; … 2a. von minderer Qualität; 2b. vordergründig, einfallslos, geistlos o. ä.“.

„Niedrig im Preis“ ist uns bewusst, aber die „mindere Qualität“ schwingt im Unterbewussten immer mit. Seien Sie also nie billig! Streichen Sie das Wort schlicht aus Ihrem aktiven Wortschatz es sei denn Sie benutzen es im Sinne von (s.o.) 2a von minderer Qualität… und da sprechen Sie ja dann nicht von Ihrem Angebot.

Ursprünglich galt „billig“ als Synonym für angemessen und mit dieser Bedeutung wird es heute noch von den Juristen verwendet, wenn sie sagen, etwas sei recht und billig, also rechtens und angemessen.

Werfen wir kurz einen Blick auf die theoretisch (zugegeben) mögliche Preispositionierung eines Unternehmens (Bild oben) – und jetzt verlassen wir die Theorie: Verinnerlichen Sie diese kurz und überlegen Sie, welchen Firmen es heute wirtschaftlich gut geht und welche Preispositionierung diese innehaben. Richtig, notleidend sind die Unternehmen in der mittleren Positionierung – „stuck in the middle“ genannt. Auch richtig, gut geht es den Premium-Anbietern, die es schaffen, ihren Premiumanspruch zu kommunizieren und am Markt durchzusetzen. Bedingt gut geht es den Unternehmen, die „Economy“ positioniert sind, dieses aber auch leben, indem sie sich auf ein schmales Sortiment in wenigen Varianten konzentrieren und sich auf das schiere Produkt beschränken. Konsequent „no service“ lautet die Devise. Nur dann kann hier die Rechnung aufgehen. Komplexität generiert Kosten und diese müssen durch die erzielten Preise abgedeckt werden.

Was kann ein Technischer Händler nun tun, um mit der geschilderten Situation zurechtzukommen – seine Preise senken? Selbst wenn das betriebswirtschaftlich möglich wäre, ist dieser Schritt ein gefährlicher. Nehmen wir einmal an, ein langjähriger Kunde sagt Ihnen, er würde das „gleiche“ Produkt bei Ihrem Wettbewerber um die Hälfte günstiger bekommen. Wollen Sie Ihre bisherigen Preise um 50 % reduzieren? Wie würde sich Ihr Kunde dabei fühlen? Wie ist es weiter um Ihre Glaubwürdigkeit bestellt?

„Non-Product-Benefits“ machen oft den Unterschied

Klären Sie zunächst, ob es sich wirklich um das „gleiche“ Produkt handelt, vergleichen Sie die Rahmenbedingungen wie Abnahmemengen usw. und arbeiten Sie heraus, warum der Kunde bisher bei Ihnen gekauft hat, im Zweifelsfall fragen Sie ihn. Weil Sie der billigste Anbieter waren, wird ganz selten der Grund sein. Selbst bei absolut vergleichbaren oder gar identischen Produkten machen die „Non-Product-Benefits“ oft den Unterschied. Das sind all die Dinge, die es bei Ihnen ohne extra Berechnung – also im Preis enthalten – dazugibt. Das können Dinge wie Beratung, Vorratshaltung oder JiT-Anlieferung sein, alles Dinge, die für den Kunden einen Wert darstellen, so er sie denn nutzt, und die den Unterschied zum Wettbewerb ausmachen. Diese Dinge verursachen Kosten und die finden sich nun einmal im Preis wieder.

Fragen Sie sich kurz selbst, warum Sie Ihren privaten Bedarf bei einem bestimmten Einzelhändler decken und Sie verstehen das Prinzip und finden bereits erste Ideen, wie Sie den Unterschied herausstellen können. Fragen Sie sich, was Sie Ihren Kunden bieten, das über das „Normale“ hinausgeht, was Ihr Unternehmen besser macht, wie Sie dem Kunden helfen, besser zu werden, Kosten zu sparen usw. – kurz: listen Sie Ihre Leistungen, die Sie für Ihre Kunden erbringen, auf und vergleichen Sie diese Liste mit den Leistungen Ihres Sie immer wieder unterbietenden Wettbewerbs. So sammeln Sie Argumente für die nächsten Verhandlungen.

Leistungen gezielt kommunizieren und herauszustellen

Beachten Sie dabei, dass nur die Leistungen in den Augen des Kunden einen Unterschied machen, die er wahrnimmt und die ihm einen erkennbaren Nutzen bringen. Erbringen Sie Leistungen für Ihre Kunden, die diese noch (!) nicht wahrnehmen, heißt es, diese gezielt zu kommunizieren und herauszustellen.

Helfen Sie Ihren Verkäufern im Innen- wie im Außendienst, Ihre Preise zu verteidigen. Wie? Nur wenn sie hinter ihren Preisen stehen, können sie diese auch „verkaufen“. Nur wenn sie wissen, welchen Wert ein Produkt für den Kunden darstellt, können sie einen wertgemäßen Preis erzielen und nur wenn sie Verhandeln gelernt haben, können sie dies zum Nutzen ihres Unternehmens auch tun.

Das schlichte Weitergeben der „UVP“ des Herstellers an den Endkunden bedeutet für den Technischen Händler den Verzicht auf eine eigene Preispolitik, auf eine eigene Preispositionierung. Und spätestens dann, wenn Ihr Lieferant die Preise erhöht, Sie diese Erhöhung im Markt bei Ihren Kunden nicht oder verspätet umsetzen können, wird es eng und Ihre Marge schwindet dahin. Ich bin ziemlich sicher, dass fast alle Technischen Händler diese Erfahrung bereits gemacht haben.

Stichhaltige Argumente nennen

Warum funktioniert die Umsetzung nicht? Nun das Argument „mein Lieferant hat die Preise erhöht“ ist in den Augen des Kunden kein Argument. Ihre Verkäufer brauchen stichhaltige Argumente, warum etwas teurer wird, welche Kosten gestiegen sind usw. Fordern Sie Ihre Lieferanten und lassen Sie sich die Erhöhungsfaktoren geben. Bereiten Sie diese Argumente auf, ergänzen Sie die Faktoren, die aus Ihren Transaktionskosten hinzukommen und statten Sie Ihre Verkäufer damit aus. Sie helfen damit dem Einkäufer auf Kundenseite, zu verstehen, wie die Preise zustande kommen und Sie helfen ihm auch, die neuen Preis intern „weiterzuverkaufen“ – das erhöht die Akzeptanz.

Ich bin sicher, dass sowohl Endkunden als auch Geschäftskunden bereit sind, Premiumpreise zu bezahlen, wenn sie dafür nachvollziehbar und wahrnehmbar mehr an Wert erhalten. Diese – oft nicht auf den ersten Blick wahrnehmbaren – Werte zu vermitteln, den Mehrwert zu erklären ist DIE Herausforderung für alle Verkäufer im Technischen Handel, denn der Kunde muss wissen, was er an Mehrwert oder an Vorteilen anhand bekommt, wenn er bei Ihnen kauft.

Autor

Thomas Stein arbeitet als Berater, Trainer und Coach mit seinen Unternehmen IMTS Interimsmanagement und Klebnorm Consulting in Mannheim, thomas.stein@im-ts.de, T +49 621 4376275, www.im-ts.de


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